Gemeindebrief

Andacht

Liebe Leserinnen und Leser!

Manche mögen sich fragen: Sind wir in unsrer Gemeinde eine Herde ohne Hirte oder Hirtin? – Einerseits ja, denn Hirte heißt lateinisch Pastor, oder Pastorin und die Stelle in Bennigsen-Lüdersen ist z. Zt. nicht besetzt – bis auf Vertretungsdienste. Andrerseits aber sage ich auch: Nein. Wir sind nicht eine Herde ohne Hirten.
Kennen Sie das alte Spiel ‚Teekesselchen‘? Dieses alte Ratespiel, wo ein Begriff verschiedene Bedeutungen hat? Nehmen wir das Wort ‚Kirche‘: aus Steinen gebaut, bleibt immer an einer Stelle stehen, darin treffen sich Menschen, darin ‚wohnt‘ Gott, da kann man Jesus sehen, sie lädt die Menschen ein mit schönem Glockengeläut, sie steht in jedem Land der Welt. Kirche ist aber auch: lebendig, lebt eigentlich überall, Menschen treffen sich, Gott ist dabei, Jesus Christus ist die Mitte, Menschen werden in die Gemeinschaft mit Jesus Christus eingeladen, diese Kirche umspannt die ganze Erde und wir sind nur ein kleiner Teil von ihr. –

Schon der Apostel Petrus ‚spielt‘ sozusagen mit dieser doppelten Bedeutung des Wortes. Er nennt Jesus Christus einen ‚lebendigen Stein‘, von den Menschen verstoßen – durch die Kreuzigung, aber von Gott erwählt und wertvoll. (1.Petr.2,4+59
Und der Apostel Paulus schreibt an die Gemeinde in Ephesus: Ihr seid nicht länger fremd und heimatlos; Ihr gehört zur Gemeinde von Jesus Christus. Er hält das Gebäude der ‚lebendigen Steine‘, das ‚Haus der Christen‘, zusammen. Durch ihn sind die Bauteile untereinander fest verbunden und wachsen zu einem Tempel Gottes heran. Weil ihr zu Christus gehört, seid auch ihr ein Teil dieses Baus, in dem Gott durch seinen Geist wohnt. (nach Eph 2,19-22)
Die beiden Apostel spielen mit den Begriffen ‚bauen, Steine, geistliches Haus‘. Und was ist nun Kirche? Natürlich ist es beides, das schöne Gebäude – aber auch die Gemeinschaft der Christen, all derer, die getauft sind, die sich um Christus herum sammeln. Das bedeutet nämlich eigentlich das alte griechische Wort kyriakä, von dem das Wort Kirche herkommt: ‚die zum Herrn gehören‘.

Die Kirche, die Gemeinde – wie ein Haus, aus lebendigen Steinen gebaut. Hier sammeln wir uns in Freud und Leid und regelmäßig sonntags, um uns zu besinnen auf Christus, der unserem Leben in guten und schweren Tagen Heimat gibt.
Das könnte der Leitgedanke allen Gemeindelebens sein, all dessen, was im Kirchenvorstand, unter den Mitarbeitenden überlegt, geplant und getan wird. Ein Haus, gebaut aus lebendigen Steinen, aus vielen lebendigen Steinen, sozusagen ein Haus aus Menschen. Kirche – das ist nicht ein Soloparcours, von den Hauptamtlichen oder dafür gewählten Gemeindegliedern vorgelegt. Wir alle sind gefragt: Wie können wir unsere Gemeinschaft so leben und gestalten, dass jede/r sich zugehörig und zu Hause fühlt und auch gerne kommen mag? Dass alle spüren, dass hier nicht nur Menschen, sondern auch Gottes Geist am Werk ist?

Solch ein Haus aus lebendigen Steinen wandelt sich, so wie alles Leben auch Veränderung bringt. Gerade in diesen Zeiten ist das so und besonders nach dem tiefen Einschnitt der Corona-Pandemie. Wir sind geneigt, uns von den Zahlen der
Austrittswellen beeindrucken zu lassen. Das ist sicher bedenkenswert.

Andrerseits: Ändern wir doch mal unseren Blickwinkel, die Perspektive.
Schauen wir, wer da ist! Freuen wir uns über die Gemeinschaft, die sich immer wieder neu zusammenfindet. Loben und danken wir Gott dafür, dass wir uns gegenseitig haben. Besinnen wir uns auf unseren gemeinsamen Mittelpunkt Jesus Christus, auf dessen Namen wir getauft sind und der unserem Leben Kraft und Richtung geben kann. Nehmen wir die Gemeinschaft, auch im kleinen Kreis, ernst. So werden wir zu ‚lebendigen Steinen‘, die das Haus Gottes mit bauen, mit den Gaben und Möglichkeiten, die uns jeweils gegeben sind.

Christus spricht: Wer sagt denn Ihr, dass ich sei? (Mt 16,15)

Mit dieser Frage aus dem Monatsspruch für September grüße ich Sie herzlich!
Margit Beubler, Pn i.R.

Gemeindebrief September - November 2023