Der Kirchenführer

Eine Reise durch die Nikolai-Kirche Hiddestorf


Viel Mühe und Liebe zum Detail, dass sind die Zutaten für unseren Kirchenführer. Horst Findeisen hat ihn 2009 erstmalig veröffentlicht. Lassen sie sich durch unsere schöne Kirche führen und erfahren sie viel Wissenswertes aus der Geschichte.

Viel Spaß beim Lesen.

 

 

 

 

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Nikolaikirche

Verehrte Besucher,

die Kirchengemeinde Hiddestorf grüßt Sie in unserer alten, schlichten romanischen Dorfkirche, sei es zum Gottesdienst, zum persönlichen Innehalten und Beten oder als interessierter Gast im Vorübergehen. Treten Sie näher, bedenken Sie bitte dabei, dies ist ein Haus für Gottesdienst und Andacht und kein Museum.

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Kirche von 1879

Unsere Kirche steht auf einem Kirchhof und ist von einigen wenigen alten Grabsteinen des 18. und 19. Jahrhunderts sowie einem hohen ca. 125 Jahre alten Baumbestand umgeben, der im Sommer die Kirche kräftig mit Laub beschattet. 1883 wurde anlässlich des 400. Geburtstages von Martin Luther im Verlauf einer Schulfeier eine Linde gepflanzt, woran heute noch ein kleiner Gedenkstein nahe des Plattenweges erinnert. Eine vor Jahren zufällig auf dem hannoverschen Flohmarkt gefundene Bleistiftzeichnung, datiert vom 10.IV.1879, zeigt fast keine Bäume, aber damals noch einen Turm mit Treppengiebel und romanischen Fenstern mit Mittelsäule.

Unsere Kirche hat den Namen St. Nikolai, der aber erst in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts wieder verwendet wurde. In den Unterlagen des Pfarrarchivs ist der Name fast nie zu lesen. Das älteste Buch, die Kirchenordnung des Herzogs Julius zu Braunschweig und Lüneburg von 1569, trägt im Kopf eine undatierte handschriftliche Eintragung mit dem Namen: „Dieses gehöret der Kirchen S. Nicolai zu in Hiddestorff vnd Ohlendorff“.

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Im Innern des Kirchturms

 

 

Von Ferne grüßt der hohe Kirchturm, der im Jahre 1891 mit einer schiefe-gedeckten spitzen Haube versehen wurde. Er wird wegen der Grundmauern (Wehrturm?) oft als der älteste Teil der Kirche bezeichnet, andererseits wird auch die Apsis als ältester Teil genannt. Die Kirche insgesamt wird etwa Mitte 12. Jahrhundert datiert. Der Ort Hiddestorf ist 980 n. Chr. erstmals belegt (Urkundenübertragungen im Kloster Corvey).

Die Rankenbemalungen im Turm sind Ihnen vielleicht aufgefallen, Sie sind mindestens seit 1934 wieder sichtbar und wurden 1974 restauriert.

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Innenraum der Kirche

Der Innenraum der Kirche war nicht immer so licht und schlicht romanisch, wie Sie ihn heute erleben. Seit 1722 - „die Kirche wurde innen und außen von Grund auf repariret“ - gab es einen einfachen hölzernen Altar mit darüber angeordneter Altarkanzel. In der Apsis dahinter war abgeschirmt die Sakristei mit einem Eingang von außen. Aus der Zeit vor 1934 liegen leider keine Bilddokumente vor.

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Glasfenster "Christi Geburt"

Jetzt befindet sich dort hinter dem Altar das wahrscheinlich von Prof. Friedrich Fischer stammende Fenster Christi Geburt aus dem Renovierungsjahr 1934. Es wurde im Jahr 1974 oben und unten erweitert.
Die Renovierung 1934 war u.a. eine geförderte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zu Beginn des 3. Reiches. Damals wurden für den Altar 2 kegelförmige Leuchter, ein Kreuz, eine Altarbibel und Altar-behänge, ferner 2 Teppiche und das Glasfenster aus der Gemeinde gespendet.

Außerdem hat man auch die Emporen (Priechen) entfernt, welche nördlich und südlich des Schiffes sowie im Chorraum vorhanden waren und die Kirche stark abdunkelten.

In Altarraum und Apsis wurden damals rundum Bänke für die Kirchenvorsteher und Konfirmanden und rechts am Pfeiler eine Kanzel eingerichtet. Auch für die Gemeinde gab es noch Bänke, obwohl bei den früher „gekauften“ Plätzen immer von Kirchstühlen die Rede ist. Richtige Stühle gibt es erst seit der letzten Renovierung 1974.

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Die Orgel

 

Ein Blick zurück auf die noch vorhandene Empore zeigt unsere Orgel, die am 1. Sonntag im Advent 1978 eingeweiht wurde. Sie hat 2 Manuale und Pedal mit 14 Registern und Cymbelstern und wurde von Emil Hammer Orgelbau,
Hemmingen-Arnum, erbaut, Entwurf und Intonation Orgelbaumeister Franz Rietzsch.
 

Der 30jährige Krieg ging auch an Hiddestorf nicht spurlos vorüber. Am 2. und 3. November 1625 wurde das Dorf von Tillys Truppen ausgeplündert und niedergebrannt. Aus dieser Notzeit stammen die beiden gedrehten Bronzeleuchter von 1630, gestiftet von Lucia Elisabeth von Mahrenholtz, Hausfrau des Erasmus von Lathusen. Sie fanden 1934 einen Platz auf neuen runden schmiedeeisernen Wandkonsolen an den vorderen Außenpfeilern des Kirchenschiffes. Das damalige Lathusen-Gut lag südlich der Kirche und besteht seit dem Aussterben der Hiddestorfer Linie nicht mehr. In einer Gruft in dieser Kirche sind nach den Kirchenbucheintragungen mehrere Familienangehörige und auch Pastoren bestattet worden. Spuren der Gruft sind heute nicht mehr erkennbar. Der erste nicht mehr in der Gruft sondern auf dem Kirchhof bestattete Pastor war David Christof Heimann, dessen Grabstein von 1761 sich jetzt südwestlich außen an der Kirche befestigt befindet (bis 2005 nördlich auf dem Kirchhof stehend).

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Taufstein

 

 

Der im Chorraum stehende Taufstein hat eine eigene Geschichte zu erzählen.

So steht in einer Kirchenchronik von 1905, der Schrift nach wohl vom damaligen Pastor Viets verfasst, u.a.: „Es ist ein älterer Taufstein aus Sandstein gehauen vorhanden, welcher im Jahre 1692 angefertigt u. mit der Inschrift versehen wurde: ‚Lasset die Kindlein zu mir kommen u. wehret ihnen nicht‘. Derselbe war schadhaft geworden, Jahreszahl und Inschrift sind kaum noch zu lesen; auch gebreucht man Raum auf dem Chor, und da der Stein künstlerischen Wert nicht besitzt nach Aussage der Sachverständigen, so mag es gekommen sein, dass er aus der Kirche entfernt und jetzt als Wasserbehälter im Küstergarten neben dem Brunnen seit langen Zeiten gebraucht wurde.

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Taufschale

Die in der obigen Chronik genannte Inschrift stimmt nicht. Dieser Text steht auf der 1874 angeschafften Taufschale und nicht auf dem Taufstein.

1934 wurde der Taufstein renoviert und wieder in die Kirche gestellt; die in der Chronik genannte Jahreszahl 1692 war falsch. Also schrieb man „1639“ auf den Stein, denn in jenem Jahr gab es während des 30jährigen Krieges einige Erneuerungen, u.a. auch neue Bänke (s. linke Bankwange an der Kanzelfront). Doch auch in diesem Jahr hat die Gemeinde nach den Archiv-Unterlagen keinen Taufstein erworben.

Im Jahre Jahre 1974 wurde der Taufstein erneut überarbeitet. Nun steht dort u.a. „... AO CHRISTI 1651“. Auch das stimmt leider nicht. Die Kirchenrechnungen Michaelis 1649 – 1650 zeigen eindeutig, dass ein Meister „für die Tauffe“ 15 Gulden und 10 Groschen bekam und zudem 9 Mariengroschen Verzehrgeld erhielt. Auch ist nachzulesen, dass 1650 eine Bronzetaufe zum Preis nach Gewicht für 33 Gulden (fl) an den Bronzegießer Jobst Marquart in Hannover verkauft wurde. Das Geld musste übrigens mit Nachdruck in 2 Raten in den Jahren 1654 und 1659 eingetrieben werden. Der Taufstein ist also von 1650.
Der Spruch darauf ist der Sende- und Taufauftrag: „JESUS SAGT MATTH AM XXVII GEHET HIN IN ALLE WELT ...“. Die Bibelquelle ist nicht richtig zitiert: Bibelkenner wissen, der Text steht in Matthäus 28. 

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Weihekreuz

 

 

Bei zwei Weihekreuzen an den Pfeilern ist das Alter nicht bekannt.
Sie wurden in 1934 wahrscheinlich schon einmal erneuert und 1974 wiederum farbgerechter restauriert.

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Die Kanzel

Von vier noch vorhandenen geschnitzten Bank-wangen hat man 1974 zwei datierte für die Front einer neuen Kanzel verwendet: Links aus 1639, rechts aus 1934 (von Tischlermeister Borchers, Hiddestorf).

von Horst Findeisen - Januar 2009