Am vergangenen Sonnabend, 27. Januar, haben auch in Pattensen viele Menschen gegen Rechts demonstriert und den Opfern des Nationalsozialismus gedacht. Superintendent Andreas Brummer war dabei und hat eine Rede gehalten, hier ist sie im Wortlaut:
"Vor 2 ½ Monaten, am 9. November, standen wir mit mehr als 150 Personen in der Hofstraße am Gedenkstein der ehemaligen Synagoge. Wir haben uns dort an den Schrecken des Pogroms von 1938 erinnert, als gegenüber Jüdinnen und Juden in diesem Land und auch in unserer Stadt das Schutzversprechen aufgekündigt wurde, das eine Gesellschaft erst menschenwürdig macht und eine Gesellschaft zum Leben braucht. Nämlich das Versprechen des Schutzes vor Übergriffen und Eingriffen in Menschenrechte und Menschenwürde.
Heute ist der Tag der Erinnerung an die Befreiung des Konzentrationslagers Ausschwitz am 27. Januar 1945. Dieser Tag stellt uns vor Augen, dass der Schrecken des 9. und 10. November 1938 der Anfang eines noch größeren Schreckens war.
Seit fast dreißig Jahren ist dieser Tag zugleich der Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus: der Opfer völkischen Hasses, des Hasses gegen Jüdinnen und Juden - auch des Hasses gegen Sinti und Roma, gegen Homosexuelle und politische Gegner, gegen Menschen, die anders lebten, liebten, dachten.
An diesem Tag stehen wir zusammen und bekennen uns zu den Lehren unserer Geschichte. Diese heißen: Nie wieder. Und: Wehret den Anfängen.
Aber das ist heute auch nötig. Gegen alle völkischen Phantasien von Ausbürgerung und Vertreibung, ist es nötig, dass wir uns Tag für Tag für diese Lehren unserer Geschichte einsetzen. Nie wieder. Und: Wehret den Anfängen. Sei es heute auf dem Marktplatz von Pattensen, aber auch Morgen in der Schule, beim Bäcker, an der Bushaltestelle, im Sportverein oder anderswo und übermorgen und überübermorgen eben auch. Denn einmal „Nie wieder“ reicht nicht.
Primo Levi, einer derer, die am 27. Januar 1945 in Ausschwitz befreit wurden, hat einmal gesagt. „Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen“. Wir sind stehen gemeinsam als Bürgerinnen und Bürger dafür auf und ein, damit eben nicht geschieht, was wieder geschehen kann.
Es braucht uns dafür alle, gleich welcher Partei diesseits der Brandmauer gegen rechts wir angehören oder uns verbunden fühlen, gleich welcher Religion wir zugehörig sind oder ob wir keiner Religion zugehörig sind, welchen kulturellen Hintergrund wir auch mitbringen und wo unsere Wurzeln auch liegen, wie wir auch leben, lieben, denken. Demokratie ist Vielfalt und Demokratie lebt aus dieser Vielfalt.
Natürlich: Vielfalt ist nicht immer einfach. Und Demokratie ist oft komplex. Und es gehört zur Demokratie, sich mit unterschiedlichen Positionen auseinanderzusetzen. Und zur Demokratie gehört die Erfahrung, auch überstimmt werden zu können und mit Kompromissen zu leben. Demokratie ist nicht einfach. Aber einfach kann jeder. Wir können mehr. Wir können mehr, gerade deshalb, weil wir vielfältig und bunt sind. Denn die Vielfalt und Buntheit unserer Ideen ist die Stärke unserer Demokratie. Die Fragen, vor denen wir stehen, lassen sich ja nicht einfach lösen. Es ist die Vielfalt der Ideen, die uns voranbringen kann. Gemeinsam sind wir stark.
In Zeiten, in denen die Grenzen des Sagbaren und Denkbaren wieder verschoben werden und sich völkisches Gedankengut Raum nehmen will und Raum nimmt, halten wir umso klarer und entschiedener am Bekenntnis zur Vielfalt fest und zu den Grundsätzen unserer Demokratie: Die Menschenwürde ist unantastbar. Menschenrechte sind nicht verhandelbar."