Ein kühler Hauch liegt in der Luft. Die Sonne steht tiefer, das Licht wird wärmer - wie eine goldene Decke legt es sich über die Welt. Der Herbst ist da. Die Blätter tanzen im Wind und sinken sanft zu Boden. Unter den Füßen raschelt das Laub. Hier und da blitzt eine Kastanie hervor - glatt, seidig, kühl. Als Einladung, sich zu bücken und innezuhalten.
Auf den Feldern reifen Kürbisse. Groß, schwer, satt in ihren Farben. Sie stehen für Ernte und Fülle. Neben ihnen wirken die Kastanien fast bescheiden - und doch tragen beide dasselbe Versprechen: die Freude am Entdecken, am Bewahren. Klänge und Düfte verweben sich: das Knacken von Schalen, das Rascheln der Blätter, der erdige Geruch nach Regen. Vielleicht steigt der süßliche Duft von gerösteten Maronen in die Nase oder nur die Erinnerung daran.
Aus der Ferne klingt Kinderlachen. Sie laufen zwischen Bäumen, sammeln Schätze, lassen Taschen schwer werden. Erinnerungen schwingen mit: Hände, die vorsichtig Hüllen öffnen, um das Glänzende darin freizulegen. Kastanien, die als Glücksbringer in den Manteltaschen durch den Winter tragen.
Jede Jahreszeit schenkt ihre Kostbarkeiten. Manche sind groß und leuchtend wie die Kürbisse, andere unscheinbar wie eine Kastanie am Wegesrand. Doch beide erzählen dieselbe Wahrheit: Schönheit zeigt sich im Blick dessen, der sie bemerkt. Und manchmal genügt eine einzige Kastanie, um zu verstehen: Jede Jahreszeit trägt ihre Schätze - und manche davon passen in eine Hand.
Marie Theres Berkelmann, Pastorin in der Gesamtkirchengemeinde Laatzen